Weltweit betrachtet: Andere Länder, andere (Bestattungs)-Sitten
Tibetische Himmelsbestattung: Den Kreislauf des Lebens schließen
In der tibetischen Kultur gilt der Tod nicht als Ende, sondern als Übergang in eine neue Existenz. Um diesen Übergang zu erleichtern und die Seele des Verstorbenen zu befreien, wird eine so genannte Himmelsbestattung durchgeführt. Dabei wird der Verstorbene in ein weißes Tuch gehüllt und in das „Tal des Buddha“ unweit des Berges Kailashan gebracht. Dort wird der Leichnam von speziell ausgebildeten Mönchen, den Ragyapas, in kleine Stücke zerteilt und den Geiern zum Fraß vorgeworfen.
Was auf den ersten Blick makaber erscheint, hat eine tiefe spirituelle Bedeutung: Die Vögel tragen die sterblichen Überreste an einen Ort zwischen Tod und Wiedergeburt, der nach tibetischer Vorstellung „Bardo“ heißt. Gleichzeitig ernährt der Leichnam die Tiere und schließt so den natürlichen Kreislauf des Lebens.
Balinesische Feuerbestattung: Ein festliches Spektakel
Auf der indonesischen Insel Bali sind Beerdigungen keine stillen oder traurigen Angelegenheiten, sondern farbenfrohe und fröhliche Feste. Nach balinesischem Glauben muss die Seele des Verstorbenen durch ein aufwendiges Ritual von ihren irdischen Fesseln befreit werden. Das jetzige Leben wird – ähnlich wie in Tibet – nur als Zwischenstadium im langen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt betrachtet.
Der Weg in ein neues Leben erfordert viel Vorbereitung, handwerkliches Geschick und eine große Portion Lebensfreude. Der Sarg wird aus Pappmaché in Form eines Tieres, z. B. eines Stieres oder Löwen, hergestellt und in einer Prozession zum Verbrennungsplatz getragen. Dort wird er mit dem Leichnam verbrannt, begleitet von lauter Musik, ausgelassenem Tanz und Gebeten. Nachdem das Feuer erloschen ist, wird die Holzasche von der weißen Knochenasche getrennt. Letztere wird in einem Tuch gesammelt, mit Blumen geschmückt und von einem Priester ins Wasser gestreut.
Ghanaische Fantasiesärge: Das letzte Lächeln
Beerdigungen sind im afrikanischen Ghana wichtige gesellschaftliche Ereignisse, bei denen die Toten noch einmal richtig gefeiert werden. Dazu gehört auch, dass die Hinterbliebenen keine Kosten und Mühen scheuen, um einen möglichst extravaganten Sarg anfertigen zu lassen. Dieser wird individuell erstellt und weist oft auf den Beruf oder die Leidenschaften des Verstorbenen hin.
Ob überlebensgroßer Kugelschreiber, Flugzeug, Bierflasche oder Schuh – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die kunstvoll – und teilweise leicht verrückt – gestalteten Särge sind echte Hingucker und sorgen auch bei der Trauerfeier für Staunen … und das eine oder andere Schmunzeln. Sie zeugen von einer lebensbejahenden Haltung, die den Tod nicht verdrängt, sondern als Teil des Daseins begreift und mit einem letzten Augenzwinkern kommentiert.
Famadihana auf Madagaskar: Den Segen der Ahnen erbitten
Auch in der Kultur der Merina auf Madagaskar ist der Tod kein endgültiger Abschied. Die Verstorbenen gelten als spirituelle Ratgeber, zu denen die Hinterbliebenen weiterhin engen Kontakt halten. Alle paar Jahre findet daher die Zeremonie der Famadihana statt, bei der die Leichen der Ahnen exhumiert, in neue Tücher gewickelt und durch die Dörfer getragen werden. Dabei bitten die Lebenden die Toten um Segen und Schutz, erzählen Neuigkeiten aus der Familie und überbringen Grüße von Verwandten. Musik und Tanz gehören ebenso zum freudigen Wiedersehen wie ein gemeinsames Festmahl mit den Ahnen.
Erst nach mehreren Tagen werden die Verstorbenen wieder in ihre Gräber gelegt – eingehüllt in die kostbaren Tücher, die sie von ihren Nachkommen erhalten haben. So bleibt die Verbindung zwischen den Generationen über den Tod hinaus lebendig.
Vielfalt der Kulturen, Vielfalt der Abschiede
Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig und einfallsreich die Menschen weltweit mit dem Tod umgehen. Ob farbenfrohes Spektakel, naturverbundenes Ritual oder spirituelle Zwiesprache: Jede Kultur hat ihren eigenen Weg gefunden, Verstorbene zu ehren und ihrer zu gedenken. Dabei geht es immer auch darum, den Hinterbliebenen Halt und Trost zu geben, um den Verlust zu verarbeiten.
Vielleicht können uns diese fremden Bräuche anregen, unseren eigenen Umgang mit Tod und Sterben zu überdenken. Denn egal welchen Glaubens oder welcher Nationalität wir sind: Am Ende wünschen wir uns alle einen Abschied in Liebe und Würde.
Autor:
Jörg Zimmerling
Bildquelle:
unsplash.com/Kevin Jin